Uwe Stöß

Uwe Stöß: Geboren 1963 in Plauen. Kindheit und Jugend, Schule und Ausbildung. Abschluss als Agrotechniker – Bester Lehrling. Warten auf die Hochschule – drei Jahre Wehrdienst, danach Arbeit im Beruf. Beginn eines Studiums. Soweit, so.

„Ich stand vor dem Scherbenhaufen meines Lebens, das nicht nur den Bach, sondern einen Fluss hinunterging, und ich irrte wie ein Geisterschiff durch diesen Albtraum, ohne Aussicht auf einen rettenden Hafen. Ich war ein verdammter Feigling! Ich kapitulierte und entzog mich selbstgerecht jeder Verantwortung. Wiederum war der Sumpf zu tief, als dass ich mich aus eigener Kraft hätte befreien können. War es falscher Stolz, der mich keine fremde Hilfe suchen ließ? Vielleicht diktierte die Scham meine Resignation und die niederschmetternde Erkenntnis, dass ich mein Leben nicht auf die Reihe bekam. Meine Augen wurden feucht. Hätte ich die Tränen weinen müssen, die hinter meinen Augen Schlange standen, bräuchte ich für den Rest des Weges ein Boot.“

Die Nachbarn sehen den gut gekleideten Jungen, wie er mit den Kumpels den Indianerfelsen hinaufklettert, Stachelbeeren nascht und im Hof DER Torwart ist. Sie sehen nicht, dass seine Kindheit an der Haustür endet. Vorm Hineingehen. Zu Hause die oft betrunkene Mutter, die ihn, den „Ältesten“, irgendwann nach dem plötzlichen Tod der Schwester fragt: „Warum sie, warum nicht du?“

„Die wenigen Jahre, in denen ich wild um mich schlug, forderten einen hohen Preis. Einundzwanzig Vorstrafen, Bewährungsstrafen, Haftstrafen, Entzugskliniken, und immer noch hielt ich daran fest, dass mein Leben wertvoll war, obwohl meine Mutter ihm von Anfang an jeden Wert abgesprochen hatte.“

Nach Haft und Obdachlosigkeit, noch immer mit Wut und Zorn im Bauch, stellt er 2005 sein letztes Bier weg, wandert aus, von Plauen nach Leipzig, eine letzte Haftstrafe vor Augen, doch mit dem Willen, sein Leben in die Hand zu nehmen. Er beginnt den mühevollen Weg zurück, raus aus dem Sumpf. Und er hat Glück. Er trifft auf Menschen, die ihm wirklich helfen wollen, lernt zu vertrauen. Und er fängt an zu schreiben.

Auf  kleiner Leipziger Lesebühne trägt er erstmals vor. Die Zuhörer sind sprachlos überwältigt. Es folgt die Veröffentlichung seines ersten Erzählbandes. „Unheimliche Sprachgewalt – detailliert, drastisch und direkt“ titelt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zum Debüt „Zwei Etagen unter der Hölle“. Ein Anfang. Er bleibt ein Getriebener: Nun vom Schreiben.

Es ist ein Wechselbad der Gefühle, durch das uns Uwe Stöß schickt. Berührende Weihnachtsmärchen und knallharte, selbstgelebte Außenseitererzählungen markieren die Grenzen seines Schaffens. Ein Roman, der nicht loslässt und skurrile Geschichten, die kabarettreif sind.

„Zwei Etagen unter der Hölle“ – in seinem Debüt von 2009 erzählt Uwe Stöß in neun Geschichten von seinem Leben und den Menschen am Rand der Gesellschaft. Er blickt zurück: Eindringlich, schonungslos offen, manchmal unglaublich komisch und zum zwischendurch weglegen müssen. Einer, Sie kennen das, den man eigentlich nicht kennen will. Seine Sprache verhindert den Dokumentationscharakter und damit das Abseitsstehen des Lesers. Mitleid will er nicht, vielleicht ein bisschen Mitgefühl.

2010 folgt der Geschichtenband „Auch Sterne lügen“. Immer noch sind es die Verlierer, die Herz und Schreibkraft des Autors beflügeln, doch schon sind es fiktive Geschichten, die wir bei aufmerksamer Beobachtung aber täglich vor Augen haben. Im selben Jahr der Abdruck der ersten Weihnachtsgeschichte, die man so von „so Einem“ so nicht erwartet hätte.

In „Weltkriege und Geschlechtskrankheiten“ (2011) und „Täterätä“ (2013) beweist Uwe Stöß sein Vermögen, Bitteres durch bittere Komik noch bitterer werden zu lassen.

2012 erscheint der erste Roman „Der himmelblaue Fasan“. Eine autobiografische Geschichte von einem, der seine kriminelle Karriere in Plauen gegen das Leipziger Leben in Hartz IV getauscht hat. Im Letzteren standhaft aber nicht angekommen, erreicht ihn der Hilferuf des einzigen Glücks aus altem Leben. Sina, die geliebte Freundin, schreibt. Und Georg kommt.

2015 – ein neuer Verlag schafft neue Perspektiven. Im „Verlag für Freunde Leipzig“ erscheinen in den  folgenden Jahren die Geschichtenbände „Das zieht alles Kreise“ und „Susi brennt“. Hier knallt’s richtig. Schlag auf Schlag lässt Uwe Stöß in den kurzen Erzählungen seine ganze illustre Schar am Publikum vorbeidefilieren und macht sie regelrecht greifbar. Mit all ihren absurden Beziehungen, Eitelkeiten, Vorurteilen und absonderlichen Gedanken. Die Dialoge, drastisch und direkt und sehr komisch. Hinter der Fassade dieser bitter-komischen Geschichten lauern: Einsamkeit, Altern, Scheinheiligkeit, Sehnsüchte. Mit „Feldstraße“ kehrt Uwe Stöß noch einmal zurück in sein altes Leben und zu denen, mit denen er es geteilt hat. Der aktuelle Erzählband „Herbsthände“ vereint die ganz nachdenklichen Geschichten des Autors über Dinge, die man im Leben am liebsten verschweigen möchte.

Wir freuen uns auf Weiteres.